Songs aus der Abstellkammer: Singer-Songwriterin ANNELU im Interview

Singer-Songwriterin Annelu gibt im Interview mit Female-Music.de spannende Antworten Foto © David Schweikart

In all den Jahren, die ich inzwischen über Musik schreibe, habe ich schon unzählige Interviews geführt. Für mich muss etwas zünden, damit ich Lust habe, Fragen zu stellen. Bei ANNELU im Interview lag das sehr nahe, doch lest selbst.

ANNELU, Deine Anfänge waren einst im elektronischen Pop. Mit Deiner neuen EP „Wild Dreams“ bleibst Du aber weiter dem Organischen treu und bringst feinsten Folk-Pop in die Gehörgänge. Warum hast Du Deinen Anfängen damals den Rücken zugekehrt? Und was macht für Dich, abgesehen der Instrumente selbst, den größten Unterschied aus zwischen elektronischem Pop und Folk-Pop?

Für mich stand immer schon an oberster Stelle, das zu machen, was ich fühle und was mir Freude bereitet. Die Songs, die ich in den vergangenen Jahren herausgebracht habe, die damals noch mehr elektronische Elemente beinhalteten, mochte ich damals genauso wie sie waren. Ich finde es selbst total spannend, aber ich habe echt den Eindruck, dass mein Songwriting und mein Stil einfach mit mir mitwachsen. Für mich persönlich macht der neue Sound auch live einen großen Unterschied. Wir haben erstmal alle Backing Tracks weggelassen, spielen alles selbst und wir singen mehrstimmig. Das fühlt sich jetzt live so viel harmonischer und organischer für mich an.

„Wild Dreams“ enthält vier Songs, die jeder für sich starke Nummern sind. Warum hast Du für Deine neue EP genau diese Songs genommen und was ist für Dich persönlich in der Tracklist der rote Faden?

Mein Motto während des Writing-Prozesses war, dass es sich für mich stimmig und gut anfühlen musste. Das zieht sich definitiv durch alle vier Songs der EP und ist mein persönlicher roter Faden, wenn man so will. Thematisch habe ich mich zum ersten Mal an Themen wie Familie, Kindheit, Reflexion der Vergangenheit, aber auch an das Erarbeiten des eigenen positiven Blicks auf sich selbst gewagt, zu lernen, dass man auch mal stolz auf sich sein kann. Die EP ist das letztlich das Ergebnis aus Songs die ich mit mehr Selbstbestimmung und Vertrauen in mich, als ich es jemals zuvor hatte, geschrieben habe.

Mit Hithome hast Du zusammen mit David Schweikart ein eigenes kleines Label gegründet. Zum Label hat David ja auch ein eigenes Studio gebaut. Wie siehst Du die Labelgründung heute, die ja mitten in Pandemie-Zeiten war? Und ist das Studio für Dich zu einem musikalischen Zuhause geworden oder gar zu einem Mittelpunkt Deines musikalischen Lebens? Denn interessant ist ja, dass Du Deine neue EP gar nicht im Studio aufgenommen hast, sondern in der Abstellkammer. Und die Songs, anders als die Autotune-“verwöhnte“ Musikbranche, in der Demo-Version belassen hast.

Das Studio wurde nicht von David, dem Labelgründer von hithome, gebaut, sondern vor allem von Kelly (Drummer und Producer von Still Talk und Annelu) und natürlich mit allen helfenden Händen unseres Freundeskollektivs, zu dem auch das Label hithome zählt. Somit war es quasi unter einem Dach mit Nummerdrei, dem Studio.

Die Studiozeit werde ich niemals vergessen, sie war echt intensiv. Wir haben ja zeitweise sogar im Studio gelebt. Aber klar, die letzten Jahre waren heftig, und wir konnten glücklicherweise in kleinere Räumlichkeiten umziehen, die wir jetzt zusammen gut stemmen können, finanziell entlastet sind und somit weiterhin unsere Musik recorden können.

Ganz wichtig: Die Abstellkammer war auch im Studio 😀

Wir hatten damals nur keine steady aufgebaute Vocal Booth, und als Kelly und ich gerade an „Light On“ herumgeschrieben und ausprobiert haben, wollten wir fix die Vocals aufnehmen, eigentlich eben erst mal demo-mäßig. Daher bauten wir keine Vocal Booth auf, sondern ich stellte das Mic in der Abstellkammer nebenan auf.

Letztlich waren wir so happy mit den Demo-Vocals, dass wir sie behalten haben. „Light On“ ist ja eine reduzierte Acoustic-Nummer, und die etwas roheren Vocals fanden wir irgendwie passend.

Über Hithome hast Du auch vor gut zwei Jahren Dein Debütalbum „sth. to feel“ veröffentlicht. Wie fühlt sich das in der Rückschau an für Dich? Und wartet nach der EP „Wild Dreams“ endlich ein neues Album auf Deine Fans?

Mittlerweile bin ich richtig stolz, dass ich schon ein Debütalbum und jetzt eine EP veröffentlicht habe. Und das Schönste für mich ist, dass ich damit wachse, selbst immer zufriedener werde und weiß, was ich verbessern will. Das musste ich mir total erarbeiten, nachdem „sth. To feel“ damals rauskam, bin ich erstmal in ein Loch gefallen und habe mich gar nicht mehr so richtig mit den Songs verbunden gefühlt. Jetzt weiß ich, dass es für damals gut war, und mit der EP, dem neuen Sound, fühle ich mich jetzt, wo die EP raus ist, noch super wohl. Das ist ein großer, persönlicher Erfolg für mich. Auch das Live-Spielen mit meiner Band gibt mir unfassbar viel. Wenn die Release-Tour vorbei ist, stehen noch ein paar Shows im Sommer an und dann habe ich richtig Bock, neue Songs zu schreiben. Ich hätte schon richtig Lust auf ein fettes Country-Folk-Album 😀

Female-Music.de habe ich als Projekt an den Start gebracht, weil ich mich schon Jahrzehnten über die Vorherrschaft (hauptsächlich weißer) Männer in der Musikbranche aufrege und so viele tolle und talentierte Frauen ausgebremst wurden. Das ist ja nicht nur eine Urban Legend, sondern Fakt, der auch in vielen Gesprächen und Interviews mit Musikerinnen immer wieder auch zur Sprache kommt. Wie war Dein Weg in die Musikbranche? Und wie hast Du als Newcomerin den Einstieg empfunden?

Finde ich richtig toll, dass du das Projekt auf die Beine gestellt hast und dich dafür einsetzt, davon kann es nicht genug laute Stimmen geben. Auch wenn ich als Musikerin lebe und schon einige Jahre meine eigene Musik mache, bin ich ja immer noch im Newcomer*innen-Bereich unterwegs. Für mich war es unfassbar wichtig zu lernen, dass es mir gut geht mit allem, was ich mache, und dass ich mich wohlfühle. Das war nicht immer leicht für mich herauszuhören unter vielen Stimmen, die mitreden wollen oder ungefragte Meinungen abgeben. Es ist wichtig, sich Feedback und Kritik geben zu lassen, aber in der Musikbranche gibt es meiner Erfahrung nach einfach nicht den perfekten Weg zum Erfolg und so viele verschiedene Wege, die man gehen kann. Dabei ist es einfach nur wichtig, dass man auf sich Acht gibt und dass die Freude an allem, was man macht, bestehen bleibt.

Und was würdest Du anderen talentierten Künstlerinnen raten, die ihren Weg ins Musikgeschäft gehen wollen?

Nimm dich ernst, nimm deine Musik ernst, bleib dran und achte gut auf dich <3

Last but not least: Wie siehst Du nach Corona die Musikbranche generell aufgestellt? Mit Konzerten ist es ja vermutlich immer noch schwierig, überhaupt Bookings zu bekommen und genug Menschen, die dann auch in die Konzerte gehen. Auch hier scheinen, nicht nur meinem persönlichen Empfinden nach, bei Konzert- und vor allem bei Festival-Bookings, lieber männliche Acts gebucht zu werden.

Es ist definitiv ein Kampf, sich überhaupt irgendwie durchzusetzen, und für nicht-männliche Acts noch mehr. Dazu kommt noch, dass es auf Streamingplattformen oder Social Media algorithmusbedingt immer schwieriger wird, als Künstlerin überhaupt gesehen zu werden. Also ein Appell an alle Musikliebhaber*innen: Unterstützt die Acts, die ihr hört, kauft euch frühzeitig Tickets für die Shows, die ihr besuchen wollt, kauft Platten und Merch und empfehlt die Musik, die ihr liebt.

Singer-Songwriterin Annelu gibt im Interview mit Female-Music.de spannende Antworten Foto © David Schweikart
Die Sängerin und Songwriterin Annelu © David Schweikart

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