Im März 2024 hat sie unter ihrem Künstlernamen Puder ihr neues Album “Aha. Ok. Letʼs Surf The Planet.” veröffentlicht. Im Interview erzählt Catharina Boutari von ihrem feministischen Label Pussy Empire Recordings.
Catharina, Du bist Musikerin, Performerin und Musiktheaterregisseurin. Außerdem hast du mit Pussy Empire Recordings Dein eigenes Label gegründet. Nun ist das Alles für sich vielleicht noch nichts Besonderes, doch für Dich ist das Label klar definiert als feministisches Plattenlabel. Was war für Dich der Hauptantrieb, Pussy Empire Recordings zu gründen? Und welche („Revier-“) Markierungen willst Du mit Deinem Label setzen?
Mein Hauptantrieb, das Label zu gründen, war Frust. Ich war traurig und wütend, dass das Indie Label, auf dem ich mein erstes Album veröffentlicht habe, sich mitten in meinem Release entschlossen hat, den Azubi mit meiner VÖ alleine zu lassen und ins Internet Start-Up Leben nach München zu entschwinden. Woraufhin, trotz super Kritiken, mein Verlag, mein Vertrieb und die Promoagentur aufgehört haben, für die VÖ zu arbeiten, da sie keinen Ansprechpartner mehr hatten.
Ich habe mich so machtlos gefühlt. Um aus dieser Ohnmacht rauszukommen habe ich dann ‚Pussy Empire Recordings‘ gegründet. Es war mir ziemlich schnell klar, dass das Label etwas braucht, dass es zusammenhält, da die Künstler*innen, die ich veröffentlicht habe, stilistisch sehr verschieden waren. Da ich immer schon feministisch unterwegs war und Musiker*innen gefeatured und gefördert habe, lag es auf der Hand, diese Klammer zu setzen. PER soll ein Zuhause auf Augenhöhe für großartige Musiker*innen mit großartiger Musik sein, die eine eigene Vision von ihrer Kunst haben und diese selbst in die Hand nehmen. Ich möchte ihre Sichtbarkeit erhöhen und ein Zeichen setzen.
Ich habe mich so machtlos gefühlt. Um aus dieser Ohnmacht rauszukommen habe ich dann ‚Pussy Empire Recordings‘ gegründet. Es war mir ziemlich schnell klar, dass das Label etwas braucht, dass es zusammenhält, da die Künstler*innen, die ich veröffentlicht habe, stilistisch sehr verschieden waren.
Catharina Boutari im Interview mit Female-Music.de
Ich selbst schreibe ja schon viele Jahre über Musik, für Auftraggeber und auf unterschiedlichen eigenen Projekten. Mit Female-Music.de gehe ich endlich den Weg, der mir schon seit sehr langer Zeit auf den Nägeln brennt: Ein Projekt nur über Musik von Frauen – weil ich nach wie vor immer wieder sehe und in Gesprächen und Interviews mitbekomme, wie stark Männerdominiert die Musikszene immer noch ist. Wie war für Dich der Einstieg, als Du als Musikerin angefangen hast? Und wo siehst Du die Musikbranche heute?
Als ich mit 14 in eine Rockband eingestiegen bin, habe ich mir gar keine Gedanken darüber gemacht, dass ich nur mit Jungs gespielt habe. Zu aufregend war diese neue Welt an sich. Meine ganze Jugend über war ich eine von 3 (!) jungen Frauen, die in Bands gesungen haben. Instrumentalistinnen gab es nicht. Ich bin dann die einzige Frau gewesen, die Profimusikerin geworden ist. Was damals normal war, aber an sich schon ganz schön krass ist. In Hamburg habe ich schnell Banden gebildet, mit anderen Musiker*innen. Wir haben genetzwerkt und uns gegenseitig empowered Instrumente in die Hand zu nehmen und unser Ding zu drehen. Haben große Shows für uns und andere organisiert, zusammen gespielt und Pläne geschmiedet
Heute sind Instrumentalist*innen normaler geworden. Was mega toll ist. Hier in der Großstadt geht einiges für weiblich gelesene Menschen, aber insgesamt gesehen gibt es immer noch (zu) viel zu tun. Siehe die Quote von fe*male Acts auf Festivals, von Komponist*innen, Produzent*innen, das System „Rammstein“ und das Schweigen der Musikindustrie, die ‚alten weißen‘ Männer an der Spitze der großen Labels, Festivals und Musikstrukturen. Und natürlich auch Frauen, die die andere Frauen verdrängen und abwerten, um die einzige Frau im Raum zu bleiben und dem männlichen Blick zu genügen. Heutzutage gibt es so tolle Programme, wie MEWEM Europe (Europaweites Mentoringprogramm für den Musiknachwuchs), die Music Women Germany oder das Female Producer Collective.
Du hast eine deutsche Mutter, Dein Vater ist Ägypter, geboren bist Du in Österreich. Wie haben diese Identitäten und Unterschiede auf Deinen musikalischen Werdegang eingewirkt?
Musikalisch bin ich von amerikanischer und britischer Rockmusik, altem Soul, Punk und Swing sozialisiert worden. Die arabische Musik ist mir natürlich nicht fremd, aber dadurch, dass ich die Sprache nur bruchstückhaft spreche, habe ich, als Sängerin, nie den Zugang zum Songwriting in diese Richtung gefunden.
Als Mensch habe ich von Früh an gelernt, zwischen verschiedenen Kulturen hin und her zu switchen, mich in ihnen zurecht zu finden und auch zwischen ihnen zu vermitteln. Vielleicht arbeite ich deswegen so gerne mit Musiker*innen, die verschiedene kulturelle Hintergründe haben oder aus anderen Ländern kommen, zusammen. Für mich war und ist die Welt (meine Band, mein Zuhause) ein großer internationaler Spielplatz. Ich genieße es, mich zwischen ihnen, wie ein Fisch im Wasser zu bewegen und bin stolz, dass ich das Geschenk bekommen habe, mehr als eine Kultur in mir zu tragen.
Unter dem Namen Puder trittst Du auf und machst Musik. Inzwischen hast Du drei Alben, eine EP und mehrere Singles veröffentlicht. Warum ausgerechnet Puder? Verstehe ich nur als Deutsche die Herleitung nicht oder was steckt hinter Deinem Pseudonym als Musikerin und Performerin?
Puder ist der feine Staub, der sich an deine Haut schmiegt, schimmert und gut riecht. Der feine Glitter, der funkelt und dich durch den Tag oder die Nacht bringt. ‚Spice Up your Life‘ mit yours truly Pudergirl.
Du bist auch Musiktheaterregisseurin. Wie setzt Du da Deinen persönlichen Feminismus ein? Feminismus ist ja immer etwas Persönliches, zugleich aber auch etwas Öffentliches.
Genau wie in meiner Musik. Ich trenne da nicht. Seien es die Themen, die ich in den Fokus hole, die Künstler*innen, mit denen ich arbeite oder die Jugendlichen, die ich in Theaterprojekten ermutige, ihre Fähigkeiten zu entdecken, an sich zu glauben, die ich stärken will. Ich besetze meine Crews immer sehr divers, um als Produktion ein gelebtes Vorbild zu sein. Zu zeigen, dass jeder Mensch auf Augenhöhe respektiert wird und dass diese Vielfalt wahnsinnig tolle Dinge schaffen kann, die auf das Publikum einen großen Impact haben.
Bildet Netzwerke. Supportet euch gegenseitig. Seid laut. Seid mutig. Dickköpfig. Immer und immer wieder.
Catharina Boutari
Feminismus wird ja – leider – von nicht wenigen gerne gleichgesetzt mit „Männerhass“. Du aber machst Musik mit Frauen und Männern. So wie mich scheint Dich dieses Männerhass-Siegel kaum zu scheren. Wo setzt Du für Dich, als Feministin, Musikerin und Performerin und als Chefin eines feministischen Plattenlabels, die Grenze? Wo würdest Du klar sagen: Das mache ich nicht und mit diesen Männern würde ich aus dem und dem Grund nicht zusammenarbeiten?
Da, wo die Grundregeln (m)eines menschlichen Umgangs miteinander verletzt werden. Macht Ausübung, Hierarchie, Demütigung, Bevormundung, Diskreditierung für den eigenen Vorteil. Nicht selbstverständlich auf Augenhöhe sein. Wo Geschlecht Verhaltensweisen und Wertigkeiten definiert. Ich bin nicht bereit, so etwas zu tolerieren. Ehrlicherweise ganz egal, welches Geschlecht diese Person gerade hat. Wer so etwas leben möchte, kann das nicht bei mir, auf meinem Label oder in meinen Produktionen tun.
Und was würdest Du Frauen raten, die als Rookies ihren Weg in der Musikbranche gehen wollen?
Bildet Netzwerke. Supportet euch gegenseitig. Seid laut. Seid mutig. Dickköpfig. Immer und immer wieder. Wie schon oben gesagt, checkt Vereine wie die Music Women* Germany (www.musicwomengermany.de), Mewem (https://www.mewem.eu) oder das Female Producer Collective (https://www.femaleproducercollective.de) aus. Arbeitet mit weiblich gelesenen Menschen auf und um die Bühne oder im Studio zusammen. Seid Rolemodels für alle, die nach euch kommen.
Und last but not least: Welchen Weg willst Du in Zukunft als Label-Chefin von Pussy Empire Recordings gehen? Wo ist der Stand heute und wo siehst Du Dich mit Deinem Plattenlabel in fünf Jahren?
Momentan weiß ich gar nicht, wie die Situation in 5 Jahren sein wird. Das ganze Musikbusiness ist für Independent Künstler*innen und für eine Independent Musikbusinessstruktur sehr schwer geworden. Nach Corona, wo wir einfach aus dem Raum geschickt wurden, ist es kompliziert und schlechter als Vorher geworden. Gerade geht es darum, neue Wege zu finden, die Strukturen zu ändern, die uns kein Geld verdienen lassen und einfach am Leben zu bleiben.
Dafür brauchen wir die gesellschaftliche Akzeptanz, dass Popkultur wichtig und wertvoll ist, aber auch die Musikfans, die uns aktiv supporten und Musikkultur jenseits des Mainstreams leben. Zu Konzerten gehen, die Musik spreaden, Merch und Alben kaufen.
Danke für das Interview! Ich freue mich sehr darüber, dass Du Dir die Zeit dafür genommen hast. Und ich wünsche Dir alles Gute für Pussy Empire Recordings & Deine Projekte und viel kreativen Input.
Danke dir für dieses Interview und viel Erfolg für deinen Blog, den ich jetzt schon feier.
Mehr über Pussy Empire Recordings findet ihr hier.